Elastische Gelenke. Tanzen als Exerzieren von Jaktationen. Immer langsamer. Immer nervöser. fortschreitend in sinnlosen Loops, kreisend um die immer gleichen fiebrig pochenden Erinnerungen, die gar keine sind sondern Erfindungen, irrlichternd in der sensorischer Deprivation. Es gibt keinen Grund. Da war nichts. Und da ist nichts. So kann sie funktionieren, die Metamorphose vom Biest zum Borg. Hinter dem Schwarzschild-Radius sind alle Körper, alle Bilder, alles Licht, aller Sinn und alle Hoffnung versandet, vergessen, verloren im Hades der Neuen Zeit.
Sa 17.10., 18:00 Uhr, 17/8 € BUY
Sa 17.10., 21:00 Uhr, 17/8 € BUY
Zutritt ab 16 Jahren
⚠️ Während der Veranstaltung werden über erhebliche Zeiträume Stroboskop-Lichteffekte eingesetzt. Die Veranstaltung ist daher für Personen mit Epilepsie, gravierenden Herzproblemen oder klaustrobhobischen Ängsten und für Schwangere nicht geeignet. Die Veranstaltung darf nicht unter dem Einfluss bewusstseinsverändernder Drogen besucht werden.
Die Videoprojektionen zeigen Bilder, die als verstörend oder abstoßend erlebt werden könnten.
Ulf Langheinrich
Nach dem Industriedesign Studium, führte er Audioexperimente mit Pfeifenorgeln, Harmoniums und mehreren Bandmaschinen durch und beschäftigte sich hauptsächlich mit der Malerei. 1984 verließ er Ostdeutschland und ging nach Westdeutschland, wo er begann, die Grundlagen seiner künstlerischen Sprache in Malerei, Fotografie und elektronischer Musik zu entwickeln. 1988 zog er nach Wien, wo er seine Tätigkeit in seinem Atelier im WUK (Werkstätten und Kulturhaus) fortsetzte.
1991 gründete er zusammen mit dem österreichischen Künstler Kurt Hentschläger in Wien das Duo GRANULAR-SYNTHESIS. In mehr als einem Jahrzehnt schufen sie monumentale Multimedia-Installationen und Performances wie AREAL (1997-2004), FELD (2000), MODELL 5 (1994-2007), NOISEGATE (1998) oder zuletzt POL (1998-2008).
Seit 2003 produziert Ulf Langheinrich eine neue Reihe groß angelegter Einzelprojekte, darunter PERM (2005), ein interaktiver abstrakter Film, der für das von Jeffrey Shaw entworfene interaktive Kinosystem EVE geschaffen wurde, HEMISPHERE (2006-2016) und LOST (2017), der für eine hemisphärische Leinwand konzipiert wurde, oder LAND, eine stereoskopische Installation im Auftrag der Liverpool Biennale 2008.
Er ist an dem Bildungsprojekt Sup de Sub beteiligt, das vom Kollektiv LFKs und seinem Direktor Jean Michel Bruyère konzipiert wurde und dessen erster Campus im September 2019 in Marseille und im Januar 2020 in Seine Saint Devis eröffnet wurde. Seit 2016 ist er auch künstlerischer Leiter des Festivals CYNETART in Dresden.
Maria Chiara de’ Nobili
1995 in Neapel, Italien, geboren. Ihren Bachelor of Arts in Contemporary Dance hat sie in Mailand abgelegt, bevor sie nach Israel ging und dort in der Kibbutz Contemporary Dance Company Tänzerin war. Von 2016 bis 2018 arbeitete sie für die Elephant in the Black Box Company unter der Künstlerischen Leitung von Jean-Philippe Dury in Madrid. Ihren Master of Choreography legte sie an der Palucca Hochschule in Dresden ab. Für die Biennale in Venedig choreografierte sie 2018 Rarefiled und 2019 WRAP. In Dresden war zuletzt im Oktober 2019 eine Arbeit von ihr zu sehen: The Answer’s in the Eye.
Begrenzte Platzzahl.
Die Veranstaltung findet unter Berücksichtigung der erforderlichen Hygienemaßnahmen im Rahmen von COVID-19 Bestimmungen statt.
Es sind keine Reservierungen möglich – nur Online- oder direkter Kauf an den Vorverkaufsstellen und im Besucherzentrum. Restkarten sind an der Abendkasse erhältlich.
Konzeption, künstlerische Leitung, Musik und audio-visuelle Konzeption:
Ulf Langheinrich
ursprüngliches Konzept: Yubeing Luo & Ulf Langheinrich
Loop-Software: Matthias Härtig
Technische Vorproduktion: Endre Ketzel
Produktion: EPIDEMIC
Dauer: 1 Std. 10 Min.
Die Bühnenproduktion »Vortex« ist eine Ko-Produktion zwischen dem Schauspielhaus Bochum, Le Volcan Le Havre, Le Manège Maubeuge sowie HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste Dresden.
Beschreibung
»Vortex« ist ein hybrides Bühnenereignis, das unterschiedliche Künste miteinander reagieren lässt, um neue ästhetische Formen zu generieren. Bei »Vortex« verbindet sich die mesmerisierende Wirkung von Ulf Langheinrichs Licht- und Videowelten mit den energetischen Choreografien der aufstrebenden italienischen Choreografin Maria Chiara de’ Nobili. Wenn die menschlichen Körper sich zusehends im Licht auflösen werden die Zuschauer*innen angestoßen, über eine Bilder- und Mediengesellschaft zu reflektieren, die sich nicht mehr in Unterscheidungskriterien von virtueller und realer Wirklichkeit erfassen lässt.
»Vortex« startet mit voller Energie, vollem Soundvolumen, gleißendem Licht – als ob sich unvermittelt die Schleuse zur einer rasenden Energie geöffnet hätte. Vier asiatische Performer*innen, die sich – gemäß okzidentaler Stereotypisierungen – wie ein Ei dem anderen zu gleichen scheinen, stehen vor vier beleuchteten Frames in einer Reihe. Diese Lichtobjekte hinter den Performer*innen erscheinen in diesem Moment wie Screens, die das Klischee der objektivierten asiatischen Weiblichkeit in Frames zu rahmen scheinen.
Die von Maria Chiara de’ Nobili choreografierten Bewegungen der Performer*innen wirken unwillkürlich: zuckende Kontraktionen von Oberkörper und Becken, extreme Überstreckungen der Gliedmaßen, schnelle Verschiebungen. Im Ganzen ein intensiver Eindruck von physischer Verausgabung und sinnlicher Präsenz. Es ist von großer Wichtigkeit, dass diese Bewegungen – ungeachtet dessen, dass sie präzise choreografiert sind – nicht aufgesetzt und gemacht wirken. Die Bewegungen werden aus der inneren Energie der Performer*innen entwickelt. Als Referenz dienen Bilder, die an die letzten Tanzenden in einem Technoclub erinnern: Fünf Uhr morgens, halb betäubt und doch aufgeladen mit pulsierender Energie. Zugleich können aber auch Assoziationen auftreten, die eher an die ungerichteten Bewegungen Neugeborener denken lassen, oder sich windende Leiber im sexuellem Klimax, oder unkontrolliert zuckende Körper während eines epileptischem Anfalls. Der Körper in unbewusster Bewegung, der die menschliche Kontrolle übersteigt. Der rationale Geist, so scheint es, wird vom genuin Fleischlichen überwunden, auch wenn die Körper einer seltsamen externen Kybernetik zu folgen scheinen.
Das zentrale formale Stilmittel von de’ Nobilis Choreografie sind Loops – Wiederholungsmuster –, die sich allmählich, für die ZuschauerInnen kaum wahrnehmbar verändern. Hinzu tritt in diesem Kontext die klar erkennbare Synchronizität der Bewegungen aller Tänzerinnen, deren Körper damit einer unsichtbaren Technologie unterworfen scheinen. Menschliches und Maschinelles, genauso das Physische und das Digitale, verschwimmen auf diese Weise zusehends.
Das Bühnenlicht, das Licht der Screens und das auf die Körper projizierte Licht soll als, in permanentem Oszillieren verwobener Gesamtlichtkörper erscheinen: fluktuierend zwischen langsamen Wellen und nervösem Flickern, zwischen Schwarz und Weiß.
⚠️ ACHTUNG, STARK BLITZENDE BILDER!!! ⚠️
⚠️ ATTENTION, HEAVILY FLASHING IMAGES!!! ⚠️
beyond body
Am Ende der beschriebenen ersten Phase senken sich die Lichtobjekte (die im ersten Teil wie Screens oder Frames wirkten) ab und erinnern nun eher an Operationstische. Während die menschlichen Körper vom Hals abwärts weitgehend still liegen, bewegen sich nun, abgewandt vom Publikum, lediglich die Köpfe. Diese Bewegungen, die Mimik mit inbegriffen, sind erneut zwischen allen vier Performer*innen synchronisiert. Ein stereoskopisches Kamerasystem scannt die Gesichter, um anschließend in einem granularen Syntheseprozess in Echtzeit ineinander geschnitten und miteinander verwoben zu werden. Das dabei entstehende Bild, das die vier Gesichter miteinander vereint, wird als riesiges stereoskopisches Bild auf eine Leinwand projiziert. Was als Choreografie menschlicher Körper begann, ist nun zur raumgreifenden, übermenschlich großen Projektion geworden. Die vermeintliche Ununterscheidbarkeit der asiatischen Weiblichkeit wird zur tatsächlichen Ununterscheidbarkeit eines digitalen Gesichts, der aus vier menschlichen Gesichtern zusammen gemorpht wurde. Der okzidentale maskuline Blick weicht einer buchstäblichen Projektion, die alle vermeintlich sexuellen Konnotationen der ersten Phase abstreift, und als monströse digitale Phantasie zurückschlägt. Die mit 3D-Brillen ausgestatteten Zuschauer*innen sehen sich mit ihrem eigenen Bildgedächtnis und ihren Projektionen des sexualisierten Exotischen konfrontiert, bis schließlich in einem letzten Schritt alles Körperliche aufgelöst wird: Die 3D-Projektion des vierfachen Gesichts verschwindet allmählich in einem stroboskopischen Lichttunnel, indem die Bilder durch Lichtpulse aus Stroboskopen mit zunehmenden Luminanzamplituden überlagert werden.
beyond image
In den Amplituden dieses Strobe-Lichtflimmerns ist schließlich dieses letzte virtuelle Bild verschwunden; jenseits projizierter Bilder operieren nun Sequenzen aus reinen Lichtimpulsen an der Grenze des Wahrnehmbaren. Sie bilden ein Feld aus reinem Licht, das seine halluzinogene Schönheit am Rand des Erträglichen entfaltet. Im Licht verschwindet der Raum vor den Augen der Zuschauer*innen. Dieser finale Teil der Aufführung leitet sich direkt aus den Forschungserkenntnissen früherer Arbeiten Ulf Langheinrichs wie »Hemisphere« und »Lost« ab, die die Synthese aus stroboskopischen Patterns zu individuellen inneren Bildern im Gehirn untersucht haben. Die hier zu sehenden Bilder entstehen im Auge-Gehirn-System der Besucher*innen – sie differieren also bei jedem Einzelnen. Die zeitlich hochkomplexen Lichtstrukturen können mit konventionellen Video- oder Fotokameras zudem nicht aufgezeichnet werden. Insofern endet »Vortex« in einem im bildlosen Zustand: Was sich jenseits der Bilder in der singulären Wahrnehmung jedes Einzelnen zeigt, lässt sich nicht medial abbilden, mithin nicht dokumentieren. Die Auflösung der repräsentierten Körper erfahren die Zuschauer*innen am eigenen Körper.
Ulf Langheinrichs Projekt ist per se interdisziplinär gedacht und konzentriert sich auf die (immaterielle) Stofflichkeit seiner Gegenstände. Ausgehend von den realen Körpern der Performer*innen, die als stereotype Klischeebilder dargestellt und aufgelöst werden, wird der menschliche Körper in ein Spannungsverhältnis zu dessen digitalen Repräsentationen gesetzt. Mit dem Fokus auf das Digitale, das hier scheinbar als unentrinnbare Zukunft alles Stofflichen gesetzt wird, beginnen die auf der Bühne exponierten Körper sich ins Immaterielle aufzulösen. Ulf Langheinrich will in einer zusehends visuell ausgerichteten Bildergesellschaft den Zwang der Repräsentation überwinden. Die immersive, geradezu viszerale Dimension von »Vortex« verbindet sich direkt mit dem Nervensystem der Rezipient*innen die affektiv, mithin physisch, an der Performance teilnehmen und in dieser Hinsicht eine unmittelbare Erfahrung von Auflösung durchleben. Am Ende steht damit nicht nur die Überwindung des materiellen Bildes im Digitalen, sondern gewissermaßen, die am eigenen Leib erfahrene Überwindung der materiellen Welt schlechthin.
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