Interventionen von unbestimmtem Zeitrahmen, die in Digital-Analog-Systemen durchgeführt werden, angepasst an einen gegebenen Satz von Audioverstärkungsgeräten und die akustischen Eigenschaften des Ortes Festspielhaus Hellerau. Vorzugsweise bei hohem Schalldruckpegel ausgeführt.
(kurzes und dichtes moduliertes Rauschen / Rückkopplung (max. 10 Min.)
Hugo Esquinca, geboren 1990 in Mexiko City, konzentriert sich - als Intervention - in Klangforschung auf die Erforschung verschiedener Grade der Exposition gegenüber unregelmäßigen Verarbeitungstechniken, unbestimmten Vorkommnissen, spektraler Verschlechterung, abrupter Irritation, dem Potential unfreiwilliger Modifikationen, undurchsichtiger Funktionsweise und übermäßiger Verstärkung.
Seine Arbeit wurde in verschiedenen Kontexten präsentiert, z.B. im Stedelijk Museum (Amsterdam), im Nationalen Zentrum für Zeitgenössische Kunst NCCA (Moskau), in der Fondazione Antonio Ratti (Como) und im Schloss für Zeitgenössische Kunst Ujazdowski (Warschau), Ploschad MIRA für Moderne Kunst - Sibirien (Krasnojarsk), A4 (Bratislava), Goethe Institut (Athen), MAYHEM (Kopenhagen), Aalto Universität (Helsinki), BEARS (Osaka), Haus der Kulturen der Welt und Berghain (Berlin).
Es sind stets zwei Welten, in denen wir uns bewegen, wir sind mit all den anderen Menschen verbunden, trotzdem erleben wir die Geschehnisse um uns herum auf jeweils ganz unterschiedliche, individuelle Art und Weise. Gerade in Zeiten der Isolation, in denen man auf sich selber zurückgeworfen ist, wird diese Gespaltenheit mitunter schmerzlich bewusst. In The Hidden Environment. The Feeling of the Cave schlägt Simina Oprescu eine Brücke zwischen dem Inneren und dem Äußeren, diesen beiden Lebensrealitäten, die sich in permanenter Veränderung befinden. Als Werkzeuge dienen der Künstlerin unsere diversen technologischen Erweiterungen ebenso wie spezielle Vokaltechniken, die das Innerste zum Schwingen bringen.
Simina Oprescu ist eine Komponistin, Video- und Mixed-Media-Künstlerin, die seit drei Jahren in Bukarest lebt und sich voll und ganz auf Klang und Komposition konzentriert. Im Jahr 2015 schloss sie ihr Studium an der Abteilung für Fotografie und dynamische Bilder an der Nationalen Kunstuniversität in Bukarest ab und im Zeitraum 2017-2018 absolvierte sie ein Jahr in der Abteilung für akusmatische Komposition am Königlichen Konservatorium in Mons, Belgien.
Die Künstlerin konzentriert sich auf mehrere Konzepte, angefangen bei der Analyse, wie sich das Standbild und das bewegte Bild gegenseitig verstärken*, wobei sie sich dafür interessiert, wie die Tiefe des Hintergrunds als Werkzeug zur Umgestaltung unserer Wahrnehmung der Umgebung und der Bewegung genutzt werden kann; bis hin zur Verwendung von Ton als Ausdrucksmittel, mit oder ohne Bild als konstitutionelle Umgebung (*wie Ton und Stille). Die Künstlerin verwendet in ihren Kompositionen verschiedene Instrumente, "Klangobjekte" und digitale Programme, und setzt Klang als Experiment und als tiefes Verständnis des Selbst und der Umgebung ein. Sie interessiert sich auch für die Möglichkeiten, Klang (und Rhythmus) in visuelle Umgebungen (intern** oder extern) zu integrieren, und für die Fähigkeit des Klangs, das Verständnis des Bildes radikal zu verändern: "Am Anfang war der Ton im Vergleich nach Bild...."
**Gedanken, Ängste, Stimmungen, Synästhesie.
Die verborgene Umwelt - Das Höhlengefühl - Wir sind alle miteinander verbunden, doch auf einer tieferen Ebene leben wir und erleben wir die Ereignisse auf demselben Planeten in unterschiedlicher Art und Weise. Wie Andy Clark und Donna Haraway argumentierten, sind wir alle auf natürliche Art geborene Cyborgs, was bedeutet, dass wir dazu fähig sind, Veränderungen herbeizuführen und Erfindungen zu vollführen, indem wir die Technologie als Mittel einsetzen, um die verborgene Umwelt unseres Verstandes und unserer Zukunft zu erforschen und zur Entfaltung zu bringen. Es wird angenommen, dass der Einsatz der menschlichen Stimme – beispielsweise zum Singen, Skandieren oder Gurgeln – eine Heilungsmethode durch die Beanspruchung des Vagus – des Trauma-Nervs schlechthin – sein kann. Beim Reflektieren über das Trauma kam mir dieses von allen Menschen mehr oder weniger geteilte Gefühl in den Sinn, nachdem die alten Weltanschauungen nicht mehr tragbar seien; stattdessen erfinden wir Formen der Selbstwahrnehmung und der Kommunikation immer wieder neu – völlig auf sich selbst gestellt. Während die Neuerfindung einen stabilen Bezugspunkt aufweist, befinden wir uns in einer schizoiden Dichotomie zwischen der alten und der neuen Umwelt. Die Auseinandersetzung mit diesem Gefühl rief mir zwei Konzepte in Erinnerung, die ich in Leo Frobenius’ „Paideuma“ entdeckt hatte: das „Weitengefühl“ und das „Höhlengefühl“ – womit die Möglichkeiten der Weltauffassung als ein Lebensgefühl der „Weltweite“ bzw. der „Welthöhle“ bezeichnet werden. Das „Höhlengefühl“ sei durch die „Enge des Bewusstseins, ständige Beklommenheit, Unfreiheit und deshalb Fatalismus, ununterbrochener Druck“ gekennzeichnet, und dieser ununterbrochene Druck führe von Zeit zu Zeit zu „in der Form des Fanatismus [sich] entladenden Explosionen. Hingegen drängten „Sehnsucht und Unendlichkeitsempfindung nach aufbauenden Taten“, „überzeugender Schaffensdrang und selbstverständlicher Freiheitsjubel“ seien Ausdrucksformen der „Weltweite“. Beide Grundanschauungen seien „nichts als Äußerungen der Seelenart“ – sogenannte „innere Klänge“, die wir als Teil des Bewusstseins und Unterbewusstseins wahrnehmen, ähnlich einer inneren Stimme, aber dennoch unterschiedlich. Hier befinden wir uns in der Dualität Seelenraum – Lebensraum. Ein Volk, dessen Seele die Dimension des „Höhlengefühls“ besitzt, könne „wohl ein Jahrtausend und auch mehr von einem andern beherrscht und während dieser Zeit über die Enge seines seelischen Daseins hinweggetäuscht“ werden; es könne aber „in Wahrheit selbst niemals andere beherrschen, ohne sie zu zerstören“. Nur das „Weitengefühl“ könne zu „gesunder Bildung, zur Ausbildung eines sich dehnenden Kulturorganismus, zur Entwicklung der Arbeit, die ihren Lohn in sich selbst findet, zur Tat im Sinne des Aufbaus“ führen. Diese verborgene Umwelt bevölkern folglich Ungeheuer, Engel, Schatten, Hoffnungen und Mysterien – die umfassende Vielseitigkeit des Denkens in Schallgeschwindigkeit.
Stereoskopische Brille bei Online-Betrachtung erforderlich
So 18.10.
15:00 Uhr, Festspielhaus Hellerau, Großer Saal openstreetmap
17/8 € (Tagesticket), 60 min Reservix-VVK
Im/Material Beings ist ein Stück (spekulative historische) Fiktion für einen Pionier der (theoretischen Informatik) Wissenschaft: Alan Turing (1912-1954). Geboren als Sohn eines Beamten des Britisch-Indien unter der Präsidentschaft von Madras, wird Turings Kindheit im kolonialen Indien zur Verlockung, in der der Mathematiker mit konzeptuellen und empirischen Praktiken des Tantra beeinflusst wird. In Kumārs Arbeit werden Tempelanlagen in Indien und Tanzpraktiken in Indonesien als Quasi-Datenpunkte definiert, mit denen die Arbeit über die Implikationen der Tantrik-Kunstwissenschaft auf Turings Denken und folglich über die Entkolonialisierung von maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz spekuliert. Die Arbeit nimmt als digitale Performance in einem einkanaligen stereoskopischem Video Gestalt an.
Mit zwei nebeneinander stehenden Webcams, wird die Lecture-Performance ins festivaleigene Live-Compositing-Environment übertragen und zu einer stereoskopisch-virtuellen Figur transformiert, welche vor Ort im Festspielhaus Hellerau für Besucher*innen erlebbar werden wird: Kiraṇ Kumār sieht dann genau so aus, wie in den alten SCI-FI-Filmen: die 3D-Live-Schaltung durch das Wurmloch. Auf die zum Markenzeichen dieser holographischen Redner gewordenen Übertragungsglitches zwischen uns und Herrn Kumar, werden wir uns, auch ohne Wurmloch, verlassen können. Allerdings, statt mit fernen Galaxien oder sinnentleert piepsenden Apparaturen, wird der schwarze Vorhang hinter dem Beitragenden durch Bilder aus dem fernen Palast eines javanischen Königs ersetzt. Diese wurden im Februar 2020 vor Ort aufgenommen. Es sind Tänzerinnen zu sehen die sich bewegen wie Göttinnen aus einer Jahrhunderte alten Vergangenheit. Eigentlich die typischen Star-Trek-Alien-Amazonen.
Der Sound ist original auf denselben palasteigenen Gamalansets performed.
Eingetaucht in diese Bildwelt und davor wie ein Zeremonienmeister spricht und performed Herr Kumar live in 3D und digital.
Kiraṇ Kumār ist ein interdisziplinärer Künstler, Forscher und Schriftsteller. Seine Arbeit konzentriert sich darauf, das Verständnis des menschlichen Körper-Geistes durch eine dreifache Praxis des Tanzes als Kunst, Wissenschaft und Ritual auszuloten und Vorschläge für Veränderungen zu machen, die dieses Verständnis für unsere heutige Welt beinhaltet. Verwurzelt vor allem in seinen somatischen Praktiken des Haṭha-Vinyasa-Yoga und des traditionellen indischen Tempeltanzes, entfaltet sich seine Forschung durch kritische, konzeptuelle und künstlerische Untersuchungen zu vormodernen indischen Kosmologien und Kosmotechniken. In seinen Werken kommen diese transdisziplinären Untersuchungen in einen Dialog mit drängenden persönlichen und planetarischen Problemen, durch Performance, Schreiben, Video, Installation und Archivierung als Veröffentlichungsformen.
Nach einem ersten Studium des Maschinenbaus an der National University of Singapore (2016) hält er einen MFA in New Media Art von der City University of Hong Kong (2012) und einen MA in Tanz vom Inter-University Centre for Dance Berlin (2014). Seit 2015 wird seine unabhängige künstlerische Forschung vom National Arts Council Singapur, Dance Nucleus (Singapur), Centre42 (Singapur), der Einstein Stiftung, dem Literarischen Colloquium Berlin und der Robert Bosch Stiftung unterstützt. Zu den aktuellen und kommenden Forschungsstipendien gehören das Berlin Centre for Advanced Studies in Arts and Sciences (2016-18), das Programm ‘Arts & Science in Motion‘ der Volkswagen-Stiftung (2016-19) und die Akademie für Theater und Digitalität (2021). Er lebt derzeit in Bengaluru.
Durch die Pandemie werden wir auf unsere Privaträume und Innenräume beschränkt, und unsere Sicht wird uns täglich durch die Mauern versperrt. Und während die Weite der freien Luft und der Natur für die meisten von uns, die in der Stadt leben, fern bleibt, sehnen wir uns nach ihr wie nach der endgültigen Form der Befreiung. Der Sinn des Raumes wird dadurch betont und übermäßig präsent für uns, und wir spielen aktiv mit seinen Alternativen, indem wir entweder die Möbel im Haus umstellen und die Dekoration ändern oder von Reisen träumen. Schnelle Wechsel zwischen alternativen Räumen sind in der Musik dank fortschrittlicher Technologie und Kompositionstechniken möglich. Indem wir den Raum mit Klang modellieren, können wir eine fiktive Realität schaffen, die das Ohr in Anspruch nimmt und das Gehirn amüsiert, indem wir die uns umgebenden Wände umgehen. Atmen bedeutet, einen bestimmten Raum zu aktivieren. Kurze, tiefe, sterbende oder sinnliche Atemzüge - sie rufen eine Vielzahl von Merkmalen und Eigenheiten hervor, die der Atem verkörpert. Der Atem ist auch eine Voraussetzung für die Stimme und darüber hinaus für das gesprochene Wort. Er ebnet den Weg für jede physiologische und philosophische Aktivität und ist für alles, was wir tun und was wir sind, unerlässlich. Dennoch ist er heutzutage gefährdet. Mit der angeborenen Musikalität, die in diesen Konzepten steckt, dienten sie mir dazu, einen Rahmen für eine Reihe von Hörsituationen zu schaffen, die sich fließend von einer zur anderen verändern. Die ständige Fluktuation und Verklärung des musikalischen Materials soll das Ohr dazu anregen, sich nicht anzupassen, sondern die Heterogenität des Inhalts zu übernehmen und den Geist dazu einladen, das Gleiche zu tun.
Svetlana Maraš (1985) ist Komponistin und Klangkünstlerin aus Serbien. Sie arbeitet an der Schnittstelle von experimenteller Musik, Klangkunst und neuen Medien. Ihr musikalisches Werk findet in verschiedenen Medien, Genres und Repräsentationskontexten adäquate Ausdrucksformen und umfasst elektronische Live-Musikperformance, elektroakustische Komposition, radiophone Kunst, Klang- und Medieninstallationen. Sie ist von frühester Kindheit an musikalisch ausgebildet worden. Nach ihrem Abschluss an der renommierten Aalto Universität (Helsinki), wo sie als wissenschaftliche Assistentin arbeitete, erhielt sie eine Ausbildung in Komposition und Kunst an Orten wie dem Bang on a Can Summer Institute (MASSMoCA), der Columbia University - School of the Arts, der Sommerakademie Mozarteum, der KlangKunstBuhne an der UDK (Berlin), der Berklee Summer School, den Internationalen Ferienkursen Darmstadt und vielen anderen.
Maraš wurde 2013 vom Radio Belgrad mit dem Preis Vitomir Bogić für den besten jungen radiophonen Komponisten ausgezeichnet. Ihre Komposition Dirty thoughts wurde 2016 auf dem Internationalen Komponistenpodium in Breslau empfohlen, und ihr Stück Jezik, ein Auftragswerk des ORF, kam in die engere Wahl für den Prix Italia.